Pfarrpatron

Martinslegenden

Martin und der Bettler

Während seiner Militärzeit spielt das berühmteste Ereignis, das wir mit Martin in Verbindung bringen. Martin war in Amiens stationiert. Dass sich dort eine kaiserliche Reiterkohorte befand, ist durch die Notitia Dignitatum historisch nachgewiesen.

Es war ein harter Wintertag. Martin kehrte von einem Austritt zurück. Als er zum Stadttor kam, sah er einen armen Mann, der mit ein paar Lumpen bekleidet war und um Erbarmen flehte. Zu den niedrigen Temperaturen kam die Herzenskälte der Bewohner der Stadt, die sich über den Bettler lustig machten und keine Anstalten zeigten, seinem Elend abzuhelfen.

Martin aber erinnerte sich an das Wort Jesu: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“Er hatte allerdings auch nichts dabei als nur seinen Militärmantel, und den konnte er doch nicht hergeben!? Er müsste den Spott seiner Kameraden fürchten, die sich über seine zerfetzte Offizierskleidung lustig machen würden, und auf mutwilliges Beschädigen von Militäreigentum standen drei Tage Arrest…

Spott und Strafe nicht achtend nahm Martin sein Schwert, zerschnitt den Mantel und gab eine Hälfte dem armen Mann.

Die Legende berichtet weiter, in der folgenden Nacht sei ihm Christus im Traum erschienen und trug den halben Mantel, den Martin dem Bettler überlassen hatte. Und er hörte Christus zu den Engeln sagen: “Martinus, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet.”

Deckengemälde im Chor unserer Pfarrkirche

Martin erweckt einen Toten

Als Martin noch nicht Bischof war, lebte er in einer Einsiedelei, die er in der Nähe von Poitiers gegründet hatte, um sich beim heiligen Hilarius zu vervollkommnen. Zu dieser Zeit schloss sich ihm ein Taufbewerber an, der sich von Martin unterweisen lassen wollte.
Schon nach wenigen Tagen wurde er schwer krank, und heftiges Fieber kam über ihn. Martin aber war gerade abwesend. Als er nach drei Tagen wiederkam, fand er seinen Schüler tot. Der Tod war so schnell über ihn gekommen, dass er ohne Taufe gestorben war. Die Schar der Brüder war ganz bekümmert und umgab den aufgebahrten Leichnam, als Martin hinzukam. Der fühlte sich innerlich vom Heiligen Geist erfüllt. Er wies die Brüder aus der Zelle, in der der Tote lag, verschloss die Tür und legte sich dann über den toten Leib des Bruders. Er betete eine zeitlang und fühlte, wie ihm der Geist eine besondere Kraft des Herrn mitteilte. Dann richtete er sich auf, blickte den Körper des Toten an und wartete voll Hoffnung und Zuversicht auf die Frucht seines Gebetes und der göttlichen Barmherzigkeit.

Etwa zwei Stunden waren vergangen, da begann der Tote nach und nach seine Glieder zu bewegen. Die Augen öffneten sich und der Tote begann blinzelnd zu sehen. Mit lauter Stimmt wandte sich der Bruder an den Herrn. So laute lobte er seinen Namen, dass die Dankesworte das ganze Kloster erfüllten. Als sie die Brüder vernahmen, die vor der Zelle ausharrten, kamen sie schnell herein. Mit Staunen sahen sie den leben, den sie tot verlassen hatten. So dem Leben zurückgegeben, empfing der Bruder sofort die Taufe. Er lebte noch viele Jahre und gab von Martins Wunderkraft beredtes Zeugnis.

Dieser Bruder erzählte davon, dass er nach seinem Sterben vor den Richterstuhl geführt worden sei. Dort habe er einen furchtbaren Urteilsspruch vernommen, der ihn an den Ort der Finsternis zu den Verdammten verwies. Plötzlich sei dem Richter von zwei Engeln bedeutet worden, das sei jener Mann, für den Martin bete. Da wurde den beiden Engeln aufgetragen, ihn dem fürbittenden Martin wiederzuschenken und dem früheren Leben zurückzugeben. Von da an war Martin nicht nur als Heiliger, sondern als Wundertäter berühmt.

Martins Wahl zum Bischof

Nach dem Tod von Bischof Lidorius berief das Volk Martin auf den Bischofsstuhl von Tours. Martin jedoch hatte sich so sehr an das Klosterleben gewöhnt, dass er die Wahl nicht annehmen wollte. Da geschah es, dass ein Bürger mit Namen Rusticus zum Kloster kam. Er warf sich Martin zu Füßen und erklärte, er brauche dringend seine Hilfe und seinen Beistand, denn seine Frau sei sehr krank.

Martin zögerte nicht, die Bitte von Rusticus zu erfüllen und machte sich mit ihm auf den Weg. Entlang des Weges hatten sich die Bürger von Tours und aus der Umgebung aufgestellt, um Martin zu begleiten. Alle hatten nur den einen Wunsch: Martin müsse ihr Bischof werden, denn es gebe keinen würdigeren.

Es gab aber auch solche, die Martin ob seines kümmerlichen Aussehens und wegen seiner ungepflegten Haare für verachtenswert hielten. Das kluge Volk aber erkannte in dieser Rede das Lob ihres Auserwählten. So musste die Wahlversammlung dem Wunsch des Volkes und dem Willen Gottes entsprechen.

Martin jedoch hatte sich während der Diskussion entfernt und wollte sich vor dem Volk verbergen, um nicht ihr Bischof sein zu müssen. Da er aber keinen Ort fand, nahm er in einem Gänsestall Versteck. Als die Menge ihn suchte, wunderte sie sich über das laute Geschrei der Tiere. Und da sie sich dem Stall näherten, fand sie Martin mitten unter den Gänsen, riefen ihn heraus und baten ihn, das Amt anzunehmen, für das sie ihn ausersehen hatten.

Martin fällt einen “heiligen” Baum

Als Martin einmal in einer Siedlung einen alten Heidentempel zerstörte und eine benachbarte Kiefer umhauen wollte, kamen die Heiden und wollten ihn daran hindern. Durch Gottes Willen hatten sie sich still verhalten, als der Tempel eingerissen wurde. Sie wollten aber nicht dulden, dass der Baum gefällt werde. Mit großem Eifer versuchte ihnen Martin zu erklären, dass in einem Baum nichts Heiliges sein könne. Sie sollten doch lieber dem Gott folgen, dem er selber diene. Weil der Baum einem Dämon geweiht sei, müsse er umgehauen werden.

Da trat ein besonders Verwegener vor und sprach: „Wenn du Vertrauen zu dem Gott hast, den du zu verehren vorgibst, dann wollen wir selbst den Baum fällen. Du aber sollst ihn in seinem Fall aufhalten. Wenn dann dein Gott wirklich mit dir ist, wirst du dem Urteil entkommen.” Martin zweifelte nicht an Gott und war bereit, auf den Vorschlag einzugehen. Alle Heiden stimmten dieser Abmachung zu. Ihren Baum würden sie gerne fällen, wenn sie durch den fallenden Baum zugleich den Feind ihrer Heiligtümer erledigen konnten.

Die Kiefer stand nach einer Seite geneigt. Es bestand gar kein Zweifel, nach welcher Seite sie fallen würde. Ausgelassen und voll Freude machten sich die Heiden daran, ihre Kiefer zu fällen. Dabei stand eine große Schar Schaulustiger. Da begann sich die Kiefer zu neigen und drohte zu stürzen. Ziemlich entfernt standen zitternd die Mönche. Sie waren wegen der drohenden Gefahr entsetzt und hatten alle Hoffnung aufgegeben. Sie warteten nur noch auf Martins Tod. Doch der vertraute auf den Herrn und wartete ohne Angst. Schon ächzte die Kiefer im Fallen, schon neigte sie sich, schon stürzte sie auf ihn: Da streckte Martin seine Hand gegen sie aus und zeichnete das Zeichen des Heils gegen sie. Dann, wie wenn ein Wirbelwind den Baum umgedreht hätte, fiel er nach der entgegengesetzten Seite. Fast hätte er das wilde Volk, das sich dort sicher fühlte, erschlagen.

Nun erhob sich ein Geschrei zum Himmel. Die Heiden staunten über das Wunder. Die Mönche weinten vor Freude. Von allen gemeinsam wurde der Name Christi gepriesen. Ganz sicher ist an diesem Tag auch in diese Gegend das Heil gekommen. Fast keinen in der großen Heidenschar gab es, der nicht um die Handauflegung bat, den heidnischen Irrtum aufgab und an den Herrn Jesus glaubte.

Martin und der Weinstock

Martin war der erste Mönch, der auch wegen seiner Talente als Winzer bekannt wurde. Um 380 hat Martin einen winzig kleinen Weinsteckling in einem Vogelknochen mitgebracht. Im Verlauf seiner Reise wuchs der Steckling, und Martin “topfte” ihn zunächst in einen Löwen-, dann in einen Eselsknochen um. Nach seiner Ankunft in der Touraine pflanzte Martin ihn in Vouvray ein.

Dort wuchs er und trug Frucht. Als die Bewohner der Gegend zum ersten Mal den Wein kosteten, erfüllten sich die Herzen der Trinker mit Freunde, und sie begannen fröhlich zu singen. Nach dem zweiten fühlten sie sich stark wie Löwen, nach dem dritten begannen sie alle wie Esen zu wiehern.

Martin hatte den wilden Chenin zum Chenin noir und Chenin blanc (Pinot de la Loire) veredelt. Die Rebsorte wird heute für die Weißweine der Touraine und des Anjou verwendet.

In der Touraine war es auch, dass in einem Jahr die Weinstöcke nicht sehr ergiebig und die Weinlese sehr schlecht war. Da warf Martin drei kleine Trauben seines Weinbergs in den Brunnen und trank von dem Wasser, das sich auf der Stelle in reinen, köstlichen Wein verwandelte.

Martin und die Tiere

Eines Tages ging Martin am Ufer der Esvres entlang. Da gewahrte er einen hässlichen, schwarzen Vogel, der beim Fischfang war. Er rief ihm zu: “Hör auf und komm zu mir!” Auf der Stelle flog der Vogel herbei. Darüber freute sich der Heilige sehr, und er sagte zu dem Vogel: “Du sollst für deinen Gehorsam Belohnung empfangen.” Und er gab dem Tier azurblaue Federn und ein purpurrotes Kehlchen. “Nun bist du der schönste Vogel”, sagte Martin,” und ich will dir auch noch meinen Namen geben: Martinsfischer (martin-pêcheur, Eisvogel) sollst du heißen, und in allen Bächen und Flüssen darfst du ungehindert fischen.”

Seitdem der Esel des Heiligen den Einwohnern der Touraine die Kunst gelehrt hatte, Weinstöcke zu beschneiden, tragen alle Esel den Namen “Martin” und sind wie die Pferde, Gänse und andere Haustiere unter seinen Schutz gestellt.

Mit seinem mächtigen Wort beherrschte Martin die Tiere, die ihm besser gehorchten als die Menschen. Darunter jener Hund, der auf Martins Befehl hin sofort die Verfolgung eines erschöpften Hasen abbrach.

Einmal erblickte Martin ein frisch geschorenes Schaf. Da sah er seine Schüler an und sagte zu ihnen: “Seht, dieses Tier hat das Wort des Evangeliums erfüllt. Zwei Kleider hat das Schaf, eines schenkte es dem, der keines hat. Handelt auch ihr so.”

Martin und die Eucharistie

Als Martin zur Kirche ging, traf er auf einen armen Mann, der halb nackt vor ihm stand und ihn um ein Kleidungsstück anflehte. Da rief der Bischof sofort nach dem Erzdiakon und befahl ihm, den vor Kälte zitternden Mann sofort zu bekleiden. Dann zog er sich in die Sakristei zurück, er allein, bis zu der Stunde, in der die Messe festgesetzt war.

Als der Arme sah, dass der Erzdiakon zögerte, ihm ein Gewand zu geben, stürzte er in die Sakristei des Bischofs und beklagte sich, von dem Geistlichen vergessen worden zu sein. Vom Bettler abgewandt öffnete Martin sofort sein Meßgewand und zog sein Unterkleid heraus, bekleidete damit den Bettler und verabschiedete ihn. Kurz darauf kam der Erzdiakon herein, um Martin mitzuteilen, dass das Volk in der Kirche versammelt sei und die Messe beginnen könne. Martin aber gab ihm zur Antwort, er könne die Kirche nicht betreten, solange der Arme nicht seine Kleidung erhalten habe. Aber da Martin sein Meßgewand trug, sah der Erzdiakon nicht, dass Martin darunter nackt war.

Dass der Arme verschwunden sei, erklärte der Erzdiakon. Da entgegnete Martin: “Nun, da das Gewand bereit ist, bringe man es mir. Ich werde sicher den Armen finden, auf dass ich ihn bekleiden kann.” Hierauf lief der Erzdiakon mit Gehorsam und Verärgerung zu einem Händler, kaufte ein Gewand und warf es Martin vor die Füße mit den Worten: “Hier ist das Gewand, aber der Arme ist nicht mehr da.” Martin befahl dem Erzdiakon, vor der Tür auf ihn zu warten. Er wollte einen Augenblick allein sein, um seine Blöße zu bedecken und die Tat geheim zu halten.

So bekleidet tritt Martin zum Altar, um die heilige Messe zu feiern. Als der Bischof den Altar segnete, erschien über seinem Haupt ein strahlender Feuerball, der leuchtend auf Martins Liebe zu dem Armen und Notleidenden hinwies.

Autor: Pfr. Roland Seger