Hochfest Maria ohne Erbsünde

Wieder ist Advent. Unaufhaltsam läuft die Zeit. Wie am Schnürchen. Aber was bleibt da bei so viel Tempo der Zeit? Nur Krieg, Inflation, Pandemie? Gibt es da auch mal eine Unterbrechung in dieser Kette des Elends, eine Zeit zum Innehalten? Genau das ist der Advent. Er stellt uns die Frage: Wohin läuft Dein Leben? Muss es immer so weitergehen?

Eine Unterbrechung im Rennen der Zeit sind auch die Feste der Kirche. Heute am 8. Dez. ist das „Hochfest Maria ohne Erbsünde empfangen“. Lange hat man mit diesem Fest fast nichts anfangen können. Völlig unverständlich! Warum gerade Maria? Sie war doch auch nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen.  Wer aber genau hinschaut, der findet in diesem Fest einen starken Trost. Es weist darauf hin: Die Kette des Elends hat Gott schon durchbrochen. Den Anfang setzte er mit Maria und Jesus. Weil sie ihn, den Gottessohn, geboren hat, blieb sie seit dem ersten Augenblick ihrer Existenz von jeder Sünde bewahrt. Unglaublich, so denken wir! Aber liegen unsere Zweifel vielleicht an der Frage: Was denken wir von Gott, wer ist Gott und wie ist Gott? Ist er ein Gott, der nur feste Gesetze und Ordnungen geschaffen hat, die der Mensch nicht verletzten soll? Oder ist er ein Gott, der jedem Menschen die Freiheit lässt, was er aus seinem Leben macht? Maria gab Gott ihr völlig freies Jawort, die Mutter des Erlösers zu werden. Ihr Jawort war so frei, dass sie frei blieb vom Nein zu Gott und das nennt man Sünde. Ist nicht auch für uns Freiheit ein hohes Gut, ein Gottesgeschenk? Oft gebrauchen wir sie zum Guten, manchmal auch nicht. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit, bleibt daher fest und lasst euch nicht neu das Joch der Knechtschaft auflegen“, so schreibt der hl. Paulus an die Galater. Das Joch der Knechtschaft gibt es auch heute und es gab es schon immer. So auch im 19. Jahrhundert, als es bei der Arbeit in den Fabriken viel Elend gab: Kinderarbeit und die Ausbeutung von Frauen und Männern. Da wollte im Jahr 1854 Papst Pius IX., unterstützt von den Forderungen der katholischen Soziallehre, ein Zeichen setzen: Die Kette des Elends ist schon von Gott her durchbrochen. Maria und Jesus: Sie sind dieses Zeichen. Warum nicht auch mal aus dieser Sicht ein Dogma, einen Glaubenssatz der Kirche, neu verstehen lernen? Dogmen können ein Ansporn sein, nicht zu größerer Enge, sondern zu größerer Weite und Freiheit.         

Pfr. Richard Distler